Mediennutzung

Die klassische Medienwelt befindet sich seit Jahren im Griff einer schleichenden Flut: Dem demografischen Wandel. Die Gruppe der loyalen, älteren Nutzer schrumpft, die Reichweite sinkt. Wenn die aktuelle Entwicklung anhält, rollt als zweite Dynamik zusätzlich noch ein Tsunami von Digital Natives auf die Medienlandschaft zu. Diese Gruppe verabschiedet sich deutlich schneller als der Rest der Bevölkerung von der Nutzung klassischer Medien und verstärkt den demographischen Trend. Der Wandel der Mediennutzung wird sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen.

Warum diese Analyse?

Wir wollten herausfinden, wie sich der Mediennutzungswandel vollzieht und was das für die Zukunft bedeutet. Bleiben Menschen ihr ganzes Leben lang bei den Medien, mit denen sie aufgewachsen sind? In diesem Fall würde sich der Wandel allmählich dadurch vollziehen, dass ältere Menschen mit eher klassischer Mediennutzung durch jüngere Generationen mit digitaler Nutzung ersetzt werden. Oder wenden sich alle in ihrem Leben mehr und mehr den digitalen Medien zu? Dann könnte die Entwicklung auch schneller passieren. Oder gibt es noch eine völlig andere Dynamik?

Klassische Analysemethode reicht nicht aus

In der Regel vergleicht man bei historischen Mediennutzungsanalysen das Verhalten von Menschen einer Altersgruppe (z.B. 15-29 Jahre) über mehrere Jahre. Das Problem dabei: Die 15 bis 29-jährigen aus dem Jahr 2013 gehören nicht zur gleichen Generation wie jene aus dem Jahr 2018 oder 2023. Dies gilt auch für alle anderen Altersgruppen. Um herauszufinden, ob und wie sich die Mediennutzung einzelner Generationen im Laufe der Zeit verändert, muss man anders vorgehen. 

Alterskohortenanalyse zeigt den Wandel deutlicher auf

Eine Alterskohortenanalyse ist hierfür geeignet. Hier betrachtet man in einem Langzeitvergleich das Nutzungsverhalten von Menschen derselben Geburtsjahrgänge (siehe Abbildung). Dazu haben wir Geburtsjahrgangsgruppen, sogenannte Alterskohorten gebildet. In unserem Fall waren das jeweils Fünfergruppen der Jahre 1944 bis 1998. Diese haben wir in den Studienjahren 2013, 2018 und 2023 in Bezug auf ihre Mediennutzung (RUS* für Zeitungen, Zeitschriften, TV, Radio, Internet) gegenübergestellt und verglichen. So konnten wir effektive Veränderungen innerhalb einer Alterskohorte sichtbar machen. Out-Of-Home-Medien und Kino mussten wir aus methodischen Gründen leider ausklammern.

Das Prinzip der Alterskohortenanalyse

Printmedien: Je jünger die Kohorte, desto untreuer

Alle Generationen haben sich in den letzten 10 Jahren den digitalen Medien eher zu- und von den klassischen Medien eher abgewandt – jedoch in unterschiedlichem Ausmass. Generell gilt: Je jünger die Kohorte, desto stärker hat sie sich in den letzten 10 Jahren von den klassischen Medien verabschiedet. 

Bei den Gattungen gibt es jedoch Unterschiede. Lasen im Jahr 2013 noch 87% der Geburtsjahrgänge 1994-1999 regelmässig Zeitung, so waren dies im Jahr 2023 nur noch 44% – eine Halbierung in nur zehn Jahren! Zum Vergleich: Auch bei den Menschen der Jahrgänge 1944-1948 sank der Anteil der Zeitungsleser, aber deutlich geringer – von 96% auf 91%. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Zeitschriften, wenn auch mit geringerem Rückgang: Die Nutzung sank in der Kohorte 1994-1999 von 79% auf 53%, in der Kohorte 1944-1948 blieb die Nutzung praktisch gleich (um 97%). 

Gemischtes Bild bei Radio und TV: Jüngere verlieren Interesse, Ältere haben mehr Zeit

Bei Radio und TV** ist das Bild differenzierter. Beim Radio ging der regelmässige Nutzerkreis über die Jahre nur in den Jahrgängen ab 1984 um 5-9% zurück. In fast allen älteren Kohorten blieb die Nutzung stabil oder nahm sogar leicht zu. Bei TV ging der RUS vor allem bei den Kohorten ab dem Geburtsjahr 1974 zurück (bei den Jüngeren sehr stark, bis 40%). In den Jahrgängen 1969-1973 blieb der RUS für TV stabil und stieg bei allen älteren Kohorten sogar an. Ein möglicher Erklärungsansatz: Mit dem Eintritt ins Rentenalter bleibt mehr Zeit für die Mediennutzung. Weitere Zeitungen und Zeitschriften müssten zusätzlich gekauft werden, aber die Radio- und Fernsehnutzung lässt sich problemlos intensivieren.

Das scheinbare Paradox des Internet-Wachstums

Bei der Internetnutzung wuchs der RUS paradoxerweise bei den ältesten Kohorten über die Jahre am stärksten. Dies ist aber einfach zu erklären: Im Jahr 2013 lag die Internetnutzung aller Menschen unter 40 Jahren bereits bei weit über 90%, sodass kaum noch Wachstum möglich war. Bei den älteren Jahrgängen war und ist noch immer deutlich mehr “Luft” nach oben.

Alters-Kohortenanalyse der MACH Strategy 2013-2023 (Ausgewählte Kohorten)

Index (2013=100) | Quelle: MA Strategy 2013-2023

*Ein RUS-Wert bezeichnet den Anteil der regelmässigen Nutzer eines Mediums in einer definierten Zielgruppe. Dieser Wert wird (mit Ausnahme des RUS Internet) aus einer Gruppierung der an der MACH Strategy teilnehmenden Einzelangeboten gebildet (z.B. Zeitungstitel, Magazine, Radiosender). Die Auswahl der Einzelangebote kann sich zwischen Publikationen ändern, was zu einer generell eingeschränkten Vergleichbarkeit der Kennwerte zwischen Publikationen führt, ausserdem gibt es unterschiedliche Definitionen eines “regelmässigen Nutzers” für einzelne Medienkanäle. Eine Übersicht der RUS-Definitionen finden Sie hier. Trotz dieser Einschränkungen ist der RUS unserer Meinung nach der robusteste verfügbare Kennwert für Langzeitvergleiche der Mediennutzung in der Schweiz.

**Der TV-RUS ergibt sich aus der gruppierten Nutzung der abgefragten Einzelsender, inklusive zeitversetzter Nutzung und unabhängig vom verwendeten Gerät. Streaming-Plattformen sind hier nicht enthalten.

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