Die Forderung nach Einschränkung von Werbung ist so alt wie die Werbung selbst. Was dabei verhandelt wird, ist von verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Faktoren geprägt und hat sich in den letzten hundert Jahren stark verändert. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Diskussionen darüber geführt, wo Werbung platziert werden darf und wo nicht, insbesondere im öffentlichen Raum, wo jeder optisch wahrnehmbare Ort einen potentiellen Werbeträger darstellt. Man forderte «Ruhepunkte» für die Augen.
Ende der 1950er Jahre, als die Werbung vermehrt begann, mit psychologischen Techniken zu experimentieren und an Minderwertigkeitsgefühle oder menschliche Grundbedürfnisse zu appellieren, erschien das Buch “The Hidden Persuaders» von Vance Packard. Es beschreibt, wie die Werbebranche und Meinungsforscher versuchen, Menschen durch unterschwellige Botschaften und psychologische Tricks zu beeinflussen, um Produkte und politische Ideen zu verkaufen. Packard warnte vor der Gefahr dieser Techniken, die die freie Willenskraft der Menschen untergraben und zu einer manipulierten Gesellschaft führen könnten.
Obwohl Packards Thesen mangelnde Belegbarkeit und Generalisierung vorgeworfen wurde : «The Hidden Persuaders» regte erstmals die Debatte über die Macht der Werbung und die Bedeutung des Verbraucherschutzes an und die Techniken der Meinungsmanipulation, die Packard beschrieb, sind – besonders in unserer vernetzten, digitalen Welt – immer noch sehr aktuell.
Werbekritik in der Schweiz: Zwischen Manipulation und Meinungsfreiheit
Die Politik erreichte die Werbekritik in der Schweiz jedoch erstmals in den Siebzigerjahren. Forderungen wurden laut nach einem Verbot von Werbung, die sich nicht auf sachliche Information beschränkte, sondern auf emotionale Appelle setzte. Doch der Bundesrat sah keinen Handlungsbedarf. Konkret wurde es 1979 mit der «Initiative gegen Suchtmittelreklame» der SP. Sie wollte Alkohol- und Zigarettenwerbung in der Schweiz pauschal verbieten. Trotz ihres schliesslichen Scheiterns trug die Initiative dazu bei, das Bewusstsein für die Themen Suchtprävention und Werbung für Suchtmittel zu schärfen und den öffentlichen Diskurs darüber anzuregen.
So zeigte sich: Radikale Werbekritik war bereits früh eine Minderheitenposition. und die meisten Konsument:innen fühlten sich «immun» gegenüber Werbung. Auch die Kommunikationsforschung beschrieb die Werbewahrnehmung zunehmend als selektiven Prozess. Die Idee der Massenmanipulation verlor an Einfluss, und Werbung konzentrierte sich immer stärker auf interessierte Zielgruppen. Nur wenige setzten sich noch ernsthaft mit «der Werbung» auseinander; stattdessen wurden spezifische Anliegen ins Visier genommen, wie sexistische oder gesundheits- oder jugendgefährdende Werbung.
Hier konnten trotz starken Lobbyings politische Erfolge erzielt werden: Tabak- und Alkoholwerbung sind in der Schweiz stark reglementiert oder je nach Medium ganz verboten. Dennoch hat die Schweiz immer noch vergleichsweise liberale Gesetze, denn der Bund setzt mehr auf Regulierung statt Restriktion. Verschiedene Gremien und Branchenrichtlinien bemühen sich um einen Interessenausgleich, der sowohl den Schutz der Verbraucher als auch die Meinungsfreiheit und wirtschaftliche Belange berücksichtigt. Ein Beispiel dafür ist der Dachverband der kommerziellen Kommunikation Schweiz (KS/CS), der sich für gesetzliche Rahmenbedingungen einsetzt, die eine freie, lautere Werbung sichern.
Zéro Pub? Steter Gegenwind für die Werbefreiheit
In den letzten zehn Jahren kam es jedoch zu diversen politischen Vorstössen und Volksbegehren, die werbefreie Städte, weitreichende Verbote oder strengere Auflagen für Werbung forderten. Abgesehen von Beschränkungen und Verboten von Alkohol- oder Tabakwerbung, kam es aber bisher zu keinen grösseren Meilensteinen. Die Stadtgenfer Initiative “Zéro Pub”, die ein Verbot von kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum bedeutet hätte , wurde im letzten Jahr vom Stimmvolk knapp abgelehnt.
Aktuell fordert der Berner Stadtrat ein Verbot von kommerzieller Werbung auf öffentlichen Flächen im Stadtzentrum prüfen. Befürworter erhoffen sich ein attraktiveres Stadtbild und weniger Ablenkung, während Kritiker einen Eingriff in die Meinungsfreiheit und wirtschaftliche Nachteile befürchten. Der Ball liegt nun bei der Berner Regierung, um ein entsprechendes Gesetz zu entwerfen. Sollte es zu einem Referendum kommen, hätte das Berner Stimmvolk das letzte Wort.
Neue Medien und Technologien = neue Herausforderungen
Die rasante Entwicklung neuer Technologien und Medienkanäle hat die Debatte um Werbeverbote zusätzlich kompliziert. Social Media Plattformen, Influencer-Marketing und datengetriebene Werbung bieten Werbetreibende neue Möglichkeiten, werfen aber gleichzeitig auch neue Fragen hinsichtlich des Datenschutzes, der Privatsphäre und Manipulationsmöglichkeiten auf. Die Regulierung dieser neuen Werbemöglichkeiten wird daher sicherlich eine wichtige Rolle spielen und die Debatte um Werbung und ihre Regulierung stark prägen.
Mediaschneider engagiert sich zusammen mit dem KS/CS gegen neue Werbeverbote und für informierte und aufgeklärte Verbraucher:innen.