
Was haben Pjöngjang und Zürich ab 2027 gemeinsam? In beiden Städten wird es keine kommerzielle Werbung im öffentlichen Raum mehr geben, nur noch politische Werbung und öffentliche Verlautbarungen werden erlaubt sein, denn die Alternative Liste (AL) hat am 20. März mit den Stimmen der Grünen und der SP eine Motion durchs Zürcher Stadtparlament gebracht, die ein Verbot von kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum der Stadt vorsieht. Aber Zürich liegt in der vermeintlich freien Schweiz, und Pjöngjang im betonstalinistischen Nordkorea!
In der Stadt Zürich gibt es 3’500 Plakate und digitale Werbeflächen, die unmittelbar oder mittelbar davon betroffen sind. Es bleiben nun zwei Jahre Zeit, eine neue Verordnung auszuarbeiten. Dieser Entscheid ist nicht nur äusserst ärgerlich und stossend für unsere Branche und unsere Werbekunden – er wirkt zudem weltfremd, kontraproduktiv und lässt ein befremdliches Menschenbild erkennen.
Laut der Alternative Liste, die die Motion initiierte, habe Werbung „negative gesellschaftliche Folgen» und heize die Konsumkultur an. Die Bevölkerung, so das Argument, brauche keine ständigen „Erziehungsbotschaften“ von finanzstarken, auf Wachstum getrimmten Konzernen. Das offenbart, dass die Initianten die Zürcher offenbar für unmündige, schutzbedürftige Wesen halten, die nicht in der Lage sind, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Ohne staatlichen Eingriff, so die implizite Logik, seien sie der perfiden Manipulationskraft der Werbewirtschaft hilflos ausgeliefert.
Darin offenbart sich unseres Erachtens eine bemerkenswerte Bevormundung mündiger Bürgerinnen und Bürger – als traue man ihnen nicht einmal zu, achtlos an einem Plakat vorbeizugehen, das sie schlicht nicht interessiert.
Doch die Idee ist nicht nur bevormundend, sondern auch gleich doppelt kurzsichtig: Die Motion wird ihr eigentliches Ziel kaum erreichen. Ein Werbeverbot im öffentlichen Raum führt nicht zu weniger Werbung – es führt lediglich zu einer Verlagerung der Budgets. Davon profitieren nicht etwa Schweizer Qualitätsmedien, sondern in erster Linie amerikanische Internetriesen. Für den hiesigen Arbeitsmarkt bedeutet das: Jobverluste.
Zugleich reissen die wegbrechenden Werbeeinnahmen ein Loch in die Stadtkasse – Einnahmen, mit denen Zürich heute unter anderem den subventionsbedürftigen öffentlichen Verkehr quersubventioniert – mit einem zweistelligen Millionenbetrag jährlich. Bleibt dieses Geld aus, werden die Ticketpreise steigen. Und ein teurerer ÖV dürfte kaum im Interesse der AL sein.
Mit dieser Motion erweist die AL der Stadt Zürich und ihren Bürgerinnen und Bürgern einen doppelten Bärendienst: Sie gefährdet Arbeitsplätze – und verteuert den öffentlichen Verkehr.